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Carsharing im Wandel

In den vergangenen Jahren ist die Anzahl der weltweiten Carsharing-Kunden stetig gewachsen. Das Prinzip «Nutzen statt Besitzen» ist beliebt. Inzwischen erhalten die traditionellen Carsharing-Anbieter aber Konkurrenz aus unterschiedlichen Lagern[1].

Obwohl die Carsharing-Bewegung weder in der Schweiz noch in anderen Ländern dem explosionsartigen Wachstum der Fahrzeugbestände Einhalt gebieten konnte, ist Carsharing hierzulande eine einzigartige Erfolgsgeschichte. In keinem anderen Land der Welt konnte sich ein Carsharing-Unternehmen landesweit etablieren und auch ökonomisch reüssieren. Diese Entwicklung wiederum hat in den letzten Jahren zusätzliche Player auf den Carsharing-Markt gerufen. War der ursprüngliche Gedanke der Anbieter überwiegend ökologisch motiviert, so rücken heute Marketing und wirtschaftliche Interessen in den Fokus.

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Seit einiger Zeit schon beobachten die Autohersteller mit einer gewissen Besorgnis, dass für Teile der Gesellschaft, insbesondere für die jüngere Generation – die potenziellen Kunden von morgen –, das «eigene» Auto an Anziehungskraft verliert. Dafür verantwortlich sind zwei Haupttreiber: zunehmende Urbanisierung und Wertewandel. Um sich wenigstens ein Stück vom immer kleiner werdenden Kuchen im Automarkt zu sichern, steigen deshalb mehr und mehr Autohersteller ins Carsharing-Geschäft ein. Auch wenn es dabei kurzfristig wohl kaum gute Renditen zu erzielen gibt, so sammeln die Anbieter wichtige Erfahrungen in für sie neuen Geschäftsmodellen, bauen Kundenbindung zur Marke auf und lernen ihre künftigen Kunden besser zu verstehen.

Neben den Autoherstellern drängen auch Mietwagenunternehmen in den Carsharing-Markt. Da Geschäftsmodelle und -prozesse nahe beieinanderliegen, ist dieser Schritt nicht wirklich überraschend. Dagegen ungewöhnlich erscheint auf den ersten Blick das wachsende Interesse am Geschäft von Telekommunikationsunternehmen und Energieversorgern. Beide Branchen leiden seit einigen Jahren unter massiven Margenrückgängen im Kerngeschäft und suchen nach neuen Geschäftsmöglichkeiten. Während die Telekommunikationsunternehmen die grosse Anzahl von Kunden und ihre Kompetenz in Handling und Abrechnung von kleinteiligen Transaktionen in die Waagschale werfen, wittern die Energieversorger mit dem steigenden Anteil von Elektrofahrzeugen neue Absatzmärkte für Strom, jedoch zu höheren Preisen als im Stammgeschäft.

Ganz nebenbei gewinnt eine weitere Konkurrenz schnell an Bedeutung. Dank Social Network kann quasi jeder Autobesitzer via App zum Carsharing-Anbieter mutieren. In der Praxis fahren Autos nämlich nur ca. 10 % der möglichen Zeit und stehen die übrigen 90 % ungenutzt herum. Die Geschäftsidee ist überzeugend: Unwirtschaftliche «Stehzeiten» weitestgehend vermindern und darüber hinaus mit den generierten Einnahmen den Unterhalt für das eigene Auto günstig halten. Peer to Peer-Sharing nennt sich diese Methode; bekanntester Anbieter in der Schweiz ist Sharoo.

Tröstlich für die Urväter des Sharing-Gedankens: Ihre Idee setzt sich ohne Zweifel durch und wird zu einer der relevantesten Mobilitätsformen des 21. Jahrhunderts. Ihre Popularität aber beruht nicht mehr nur auf den Vorzügen des ökologischen Konzeptes, wie ursprünglich im Fokus. Mit der wachsenden Konkurrenz rücken diese Vorteile in den Hintergrund, und das klassische Geschäftsmodell könnte schnell unter Druck geraten. Im Wettbewerb um Mobilitätskunden erzeugt starke Konkurrenz aber immer auch enorme Möglichkeiten für die Entwicklung von neuen Ansätzen.

[1]Tagesanzeiger 23.02.2015