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Vehicle-to-Grid: E-Autos und die smarten Stromnetze der Zukunft

Vehicle-to-Grid: E-Autos und die smarten Stromnetze der Zukunft

Elektrofahrzeuge könnten Strom bald nicht nur beziehen, sondern auch zwischenspeichern und bei Bedarf zurück ins Netz speisen.
Vehicle-to-Grid lautet die (mögliche) Zauberformel für stabile Energienetzwerke der Zukunft.

 

Als Begriff schwirrt Vehicle-to-Grid („Vom-Fahrzeug-zum-Stromnetz“), kurz V2G, bereits seit Mitte der 2000er-Jahre durch die Welt der E-Mobilitätstechnologie. Heute, mehr als eine Dekade später, wird das Konzept der sogenannten Fahrzeugeinspeisung langsam Realität – und immer relevanter. Denn mit der steigenden Nutzung von elektrobetriebenen Fahrzeugen mit Lithium-Ionen-Batterien stehen auch immer mehr potenzielle Energiespeicher zur Verfügung. In Großbritannien startete kürzlich sogar eine Zusammenarbeit zwischen einem Energiekonzern und einem japanischen Autohersteller. Doch auch bei uns könnte Vehicle-to-Grid in zehn bis 30 Jahren eine bedeutende Rolle in der Energieversorgung spielen.

Was ist Vehicle-to-Grid?

Vehicle-to-Grid ist die Bezeichnung für ein System, bei dem die Akkus von Elektroautos als Zwischenspeicher für Strom genutzt werden, den sie bei Bedarf wieder ans Stromnetz zurückgeben. Zu ihrer Funktion als Transportmittel erhielten E-Autos dadurch einen zusätzlichen Nutzen – denn die meiste Zeit, also rund 23 Stunden am Tag, verbringen Elektrofahrzeuge auf dem Parkplatz anstatt auf der Straße. Während dieser inaktiven Zeit könnten sie als Puffer für die Stromversorgung eingesetzt werden, was vor allem bei regenerativer Energie von Vorteil wäre. Denn von Windkrafträdern, Photovoltaikanlagen und Co. wird häufig ein Stromüberschuss produziert, den das Netz gar nicht aufnehmen kann. Netzschwankungen könnten dadurch ausgeglichen und erneuerbare Energien besser genutzt werden. In Zeiten steigender Energienachfrage – nicht zuletzt durch mehr Elektroautos – ein überaus attraktives Konzept.

Smart Charging mit Vehicle-to-Grid

Aktuell ist flächendeckendes Vehicle-to-Grid noch Zukunftsmusik – denn die wenigsten Elektroautos sind aktuell zum bidirektionalen Laden fähig. Eine weitere Voraussetzung für die Technologie ist, dass auch die Ladestation Energie sowohl abgeben als auch aufnehmen kann. Außerdem muss der Stromzähler auf das Vehicle-to-Grid-System eingestellt und eine Hardware mit Kommunikations- und Kontrollmechanismen sowie einer Steuerungssoftware eingebaut sein. Darüber kann Vehicle-to-Grid auch mit Smart Charging, also intelligentem Laden, verschränkt werden: Das heißt, die Elektroauto-Batterie lädt sich nur dann auf, wenn die Stromnachfrage und damit der Preis gerade günstig ist, zum Beispiel nachts. Aktuell laden E-Autos meist durchgehend und somit unabhängig vom Strompreis auf, obwohl die Ladezeit kürzer ist als die Standzeit.

Der E-Auto-Besitzer als „Prosumer“

Besitzer von Elektroautos können bei Vehicle-to-Grid aber nicht nur durch smartes Laden Geld sparen. Wenn der ins öffentliche Netz rückgespeiste Strom vergütet wird, ließe sich mit dem E-Auto sogar Geld verdienen. Die Anschaffungs- und Haltungskosten eines Elektroautos müssten dadurch neu kalkuliert werden. Der E-Auto-Halter würde somit zum „Prosumer“ – also ein Konsument, der gleichzeitig produziert – und auch das Konzept der Sharing Economy erhielte damit eine völlig neue Facette. Die Speicherkapazität eines privaten Fahrzeugs würde bei V2G nämlich der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Ein Gedanke, der nicht allen E-Auto-Besitzern behagt, denn die Auswirkungen des bidirektionalen Ladens auf die Akku-Lebensdauer sind noch nicht geklärt. Sollte sich jedoch herausstellen, dass Vehicle-to-Grid sogar positive Effekte auf die Batterie hat, könnte das deutlich mehr Fahrzeughalter motivieren. Auch in puncto Flexibilität dürfen Fahrzeughalter keine Nachteile erfahren: Wenn etwa eine längere Ausfahrt ansteht, muss der Akku rechtzeitig vom öffentlichen Netz genommen werden, damit er zum gewünschten Zeitpunkt vollständig geladen ist. Das sollen Algorithmen, die Muster in der Nutzung berücksichtigen, gewährleisten.

Energieautarkes Eigenheim mit Vehicle-to-Home (V2H)

Wer dem öffentlichen Sharing-Aspekt von V2G skeptisch gegenübersteht, für den könnte Vehicle-to-Home (V2H) eine Alternative darstellen. Dabei nutzt man die Speicherkapazität seines Elektroautos nur für das Eigenheim, das etwa von einer Solaranlage auf dem Dach mit erneuerbarer Energie versorgt wird. Bisher gab es die Möglichkeit, den Stromüberschuss ins Netz einzuspeisen und dafür ein Entgelt zu erhalten. Jedoch ist ein Rückkauf bei erhöhtem Bedarf mit einem Verlust verbunden, was bei Vehicle-to-Home nicht der Fall wäre. Ein voller E-Auto-Akku könnte laut Berechnungen ein Einfamilienhaus bis zu mehrere Tage mit Strom versorgen. Mit Vehicle-to-Home gelingt so ein neuer Schritt in Richtung autarke Energieversorgung – und mit Vehicle-to-Grid ist auch die Zukunft der Energieversorgung ein bisschen näher.